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Kieselalgen in der Arktis: Wissenschaftler*innen des Botanischen Gartens Berlin kehren erfolgreich von Klima-Expedition in Spitzbergen zurück

Pressemitteilung vom 07. September 2022
Wednesday 07. September 2022

Wie verändert der Klimawandel das Leben in der Arktis? Antworten auf diese Frage können mikroskopisch kleine Algen geben, die ein Berliner Forscherteam aus Botaniker*innen und Meeresbiolog*innen auf einer dreiwöchigen Expedition in der Arktis gesammelt hat: Sediment- und Wasserproben von rund 40 Sammelstellen im und entlang des Kongsfjord an der Westküste von Spitzbergen sollen bis zum nächsten Jahr Aufschluss darüber geben, wie sich arktische Ökosysteme durch den Klimawandel verändern und welche Gefahren dadurch für das Leben in der Polarregion entstehen.

Die große Kraft der kleinen Algen: Sauerstoff, Nahrung und „Küstenkleber“
Es sind mikroskopisch kleine Organismen, die der Botaniker Jonas Zimmermann und Doktorandin Katherina Schimani vom Botanischen Garten der Freien Universität Berlin von ihrer Expedition aus Spitzbergen nach Berlin mitgebracht haben: Kieselalgen, auch Diatomeen genannt, wachsen als Biofilm auf Steinen und Sedimenten im Flachwasser der Küstenbereiche sowie in Seen und Flüssen. Sie sind Lebensgrundlage für Krill und Krebstiere und stehen damit auch am Anfang der Nahrungsnetze vieler Vögel und Fische; auch Wale sind auf die Existenz der Mikroalgen angewiesen. Sterben bestimmte Kieselalgenarten aus oder verschieben sich ihre Lebensräume aufgrund von Temperaturveränderungen, so könnte dies einen Zusammenbruch von ganzen Nahrungsnetzen zur Folge haben. Ganz nebenbei produzieren Kieselalgen mindestens 25 Prozent des globalen Sauerstoffs und sind somit für jeden vierten Atemzug verantwortlich. Auch für den Erhalt der Küsten spielen die Winzlinge eine elementare Rolle: Wie eine Art Klebstoff stabilisieren sie das Sediment gegen Wellen- und Gletscherbewegungen und verhindern oder verlangsamen so die Erosion.

Dem Klimawandel auf der Spur: Wissenschaftliches Pilotprojekt
Die in der Arktis gesammelten Proben sollen zum ersten Mal den Status Quo der biologischen Vielfalt von Kieselalgen in der Arktis abbilden. Dies ermöglichen neueste wissenschaftliche Verfahren, mit denen die Proben am Botanischen Garten Berlin unter-sucht werden: Neben den klassischen morphologischen Untersuchungen unter dem Rasterelektronenmikroskop, kommen zum ersten Mal auch DNA-basierte Verfahren (eDNA Metabarcoding, High-Throughput-Sequenzierung) an lebenden Kieselalgenkulturen zum Einsatz. Dabei könnte es auch zur Entdeckung neuer Arten kommen: „Wir gehen davon aus, dass es sich bei zehn bis zwanzig Prozent der gesammelten Diatomeen um bisher unbekannte Arten handelt, die wir dank DNA-Analyse erstmals beschreiben können,“ sagt Jonas Zimmermann, Leiter der Forschungsgruppe Diatomeen am Botanischen Garten Berlin. „Alle Daten zusammengenommen werden zeigen, wie der Klimawandel aquatische und terrestrische Schlüsselorganismen in der Arktis beeinflusst und ob sie dem Temperaturanstieg gewachsen sind,“ so Zimmermann. „Damit können die Kleinsten unter den Algen Impulse für globales Handeln geben – wir müssen jetzt deren Biodiversität und ökologische Resilienz erforschen, um im Kleinen zu verstehen wie dadurch die großen Zusammenhänge beeinflusst werden können,“ sagt Zimmermann.

Hintergrund
Evolution und Biodiversität der Kieselalgen stehen im Fokus der Forschungsgruppe Diatomeen am Botanischen Garten Berlin.
Die aktuelle Arktis-Forschungsexpedition ist eine Kollaboration mit den Universitäten Rostock und Köln sowie dem Leibniz Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Sie wurde durch mehrere Projekte im DFG-Schwerpunktprogramm „Antarktisforschung mit vergleichenden Untersuchungen in arktischen Eisgebieten“ unterstützt. Das Programm verfolgt das Ziel, insbesondere die Polarforschung von Universitäten aus Deutschland zu fördern. Die polare Forschungsinfrastruktur und -logistik auf Spitzbergen, wie Unterkunft, Labore, Ausrüstung für Feldarbeiten, Boote und natürlich die obligatorischen Waffen, um sich im Notfall gegen Eisbären verteidigen zu können, wurden durch die deutsch-französische AWIPEV Station zur Verfügung gestellt. Am Botanischen Garten Berlin laufen nun die Analysen der Proben. Erste Ergebnisse werden bis zum Sommer 2023 erwartet.

Der Erhalt der Biodiversität auf unserem Planeten ist ein zentrales Anliegen des Botanischen Gartens Berlin. Wie sich der Klimawandel auf heimische Pflanzen auswirkt, unter-suchten Wissenschaftler*innen derzeit auch im Rahmen des Citizen Science Projekts Pflanze KlimaKultur! gemeinsam mit Bürger*innen in Berlin, Halle und Leipzig.

Pressefotos: https://www.bo.berlin/de/presse/pressefotos#Klima-Expedition

Weitere Infos:
Zur Arktisforschung (Publikationen, Projekte und Neuigkeiten):
https://www.spp-antarktisforschung.de/

Projekt „Pflanze KlimaKultur!“:
https://www.pflanzeklimakultur.de
 

Ansprechpartner für Interviewanfragen:
Dr. Jonas Zimmermann
Leiter der Forschungsgruppe Diatomeen
BO Berlin – Internationales Wissenszentrum der Botanik
Freie Universität Berlin
Tel: (+4930) 838-71835, E-Mail: j.zimmermann@bo.berlin

Pressekontakt:
Franziska Krug, Pressesprecherin
Botanischer Garten Berlin
BO Berlin – Internationales Wissenszentrum der Botanik
Freie Universität Berlin
Tel. 030 / 838-60 427, E-Mail: f.krug@bo.berlin

Der Botanische Garten Berlin ist BO Berlin – Internationales Wissenszentrum der Botanik. Ein einzigartiger Ort, der Botanik in allen Facetten erlebbar macht. Mit einer Vielzahl von nahezu 20.000 Pflanzenarten ist der Botanische Garten Berlin der größte in Deutschland und zählt zu den bedeutendsten weltweit. Auf 43 Hektar Freigelände und in fünfzehn Gewächshäusern erhalten Besucherinnen und Besucher faszinierende Einblicke in die Welt der Botanik. Als Knotenpunkt der internationalen Biodiversitätsforschung und Ort der Wissensgenerierung und -vermittlung beschäftigt der Botanische Garten mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit dem Botanischen Museum verfügt er über Deutschlands einzigartige museale Einrichtung, die sich der Vielfalt der Pflanzenwelt, ihrer Bedeutung und der Darstellung ihrer Kultur- und Naturgeschichte widmet. Seit 1995 gehört die Einrichtung zur Freien Universität Berlin.
 

Die Pressemitteilung zum Download: